Von schwierigen Entscheidungen und befreienden Emotionen
Mai 22, 2019
Niemand trifft gern schwierige Entscheidungen. Schon gar nicht, wenn andere Personen involviert sind und dabei enttäuscht oder verletzt werden können. Doch manchmal gibt es keine Alternative. Eine solche Entscheidung zu treffen ist eine emotionale Achterbahn, ein Kampf zwischen Kopf, Herz und Bauchgefühl. Oftmals würden wir am liebsten weglaufen; jemanden bitten, diese Entscheidung für uns zu treffen, das Ergebnis im Anschluss zu übermitteln und bestenfalls auch noch die unmittelbare Reaktion des Nachrichtenempfängers zu ertragen.
Schon manches Mal habe ich mir in diesen Situationen gewünscht, dass ein Wunder geschieht, dass ich bloß jetzt nicht die Verantwortung übernehmen muss. Aber natürlich ist es nicht so einfach. Außerdem lege ich großen Wert auf die Führung eines verantwortungsvollen, bewussten Lebens. Deswegen habe ich eine wirklich schwierige, aber verantwortungsvolle Entscheidung getroffen und den Weg zur Verwirklichung eines Traumes einer anderen Person im ersten Moment zerstört. Viele, viele Tränen sind geflossen, Wut auf die äußeren Umstände ist zum Ausdruck gekommen, bittere Enttäuschung hat sich breit gemacht, Unverständnis mir gegenüber wurde geäußert. Und ich war einfach nur da. Ich habe getröstet, zugehört und ausgehalten – den Schmerz der anderen Person, mein Bedürfnis, das nicht tun zu müssen; Verständnis gezeigt, Verzweiflung und Mutlosigkeit gespürt; kleine, nachvollziehbare Vorwürfe angehört und war immer noch einfach nur da. Es kostete mich viel Kraft. Tief im Inneren hoffte ich auf eine Absolution für die nicht leichtfertig getroffene Entscheidung, ein Verständnis meines Gegenübers.
Aber hier ging es nicht um mich. Ich wollte das Richtige tun und der betroffenen Person geben, was sie jetzt brauchte, um ihren Schmerz zum Ausdruck zu bringen und durch diese Enttäuschung zu gehen. Meine Aufgabe war es, diesen Prozess zu unterstützen und meine eigenen Emotionen zurückzustellen, auch wenn ich am liebsten die Abkürzung genommen hätte. Gerne hätte ich nach vorne gesehen und etwas Positives in Aussicht gestellt. Aber entscheidend war und ist es, im Moment zu bleiben.
Emotionen müssen bewusst gespürt, benannt und verarbeitet werden. Nicht nur die positiven, sondern vor allem auch die negativen. Vernachlässigen wir unsere Emotionen oder schreiben ihnen keine Bedeutung zu, kann dies in späterer Zukunft beeinflussende Auswirkungen auf uns haben – wie Wunden, die sich entzünden. Wunden heilen, indem man sie betrachtet, sie versteht und sie reinigt. So lange, bis sie zusammenwachsen können. Und dafür gibt es kein Patentrezept oder eine bestimmte zugestandene Zeitspanne.
Ich bin sehr stolz, dass wir beide durch diese sehr schmerzhafte Erfahrung gegangen und durch sie persönlich wieder ein Stück gewachsen sind. Die Tränen, die geweint werden mussten, sind geflossen. Emotionen, die ausgesprochen und gelebt werden mussten, haben zu ihrem Recht gefunden, auf beiden Seiten. Jeder zu seiner Zeit und in dem Maße, wie es notwendig war, so dass wir beide die Situation verarbeiten konnten. Trotz dieser bitteren Situation hat es nicht lange gedauert, bis sich der Traum der anderen Person verwirklicht hat. Rational betrachtet habe ich ihren Traum also gar nicht zerstört, sondern nur etwas verzögert. Wir beide haben gelernt, Entscheidungen zu treffen, Verantwortungen zu übernehmen und mit Schmerz und Frustration umzugehen. Träume, die verwirklicht werden wollen, finden ihren Weg. Wenn auch mit etwas mehr Zeit.